Pestkapelle: Die „Kleine Wies“ – St. Sebastianskapelle in Wertach

Der Überlieferung nach soll die Pestkapelle einst von Steinen der in der Nähe liegenden Burg „Schloßbichel“ erbaut worden sein. Von der Burg soll auch ein unterirdischer Gang zur Kapelle bestanden haben. Die Sebastianskapelle an der Straße nach Nesselwang war ehemals der hl. Anna erbaut; seit der Pestzeit 1511, zu der an einem Tag 56 Personen starben, wurde dort der hl. Sebastian, der Schutzpatron gegen den sogenannten „Schwarzen Tod“, verehrt (Pfeil war Symbol für Marterwerkzeug und Pest). Das damals erweiterte, mit neuem Chor geschmückte Gotteshaus erhielt 1520 einen Turm.

Der jetzige Neubau, ein Werk des hier einige Zeit ansässigen Westfalen Bernhard Metz von Attendorf in Westfalen, wurde am 11. Dez. 1763 vom Ortspfarrer Johann Baptist Buhl geweiht. Länge: zirka 37 m, Breite: 11 m, Höhe: 8 m, Turmhöhe: 17 m. Im Inneren ist man von dem malerischen Charakter des Raumes und der Chorlösung überrascht. Bernhard Metz, der gebürtige Jungholzer, hat fast wortgetreu 1763 die Chorlösung der bekannten Wieskirche in kleineren Verhältnissen nachgebaut. Deshalb wird die Kaplle auch liebevoll „Kleine Wies“ genannt. Wie dort erblicken wir den Emporenumgang, die Doppelreihe der Fenster, die Freistützen, die mit hängenden Girlanden verbunden sind und dadurch Durchbrüche ergeben, die aber nicht mehr in die Deckenwölbung miteinbezogen sind. Auch die doppelte, hübsche Choranlage ist verwendet. Die Gestaltung ist originell, wenn auch nicht mehr so leicht und elegant wie in der Wies (von Dominikus Zimmermann): man fühlt das schwere Elemet des Westfalen. Der gewandte Rettenberger Maler Franz Anton Weiß (1720-1784) schuf 1763 das lebendige Altarbild mit dem Martyrium des hl. Seabastian. Das Fresko über dem Umgang zeigt wie in der Wies Engel.

Das Chorfresko ist gedrängt, die Glorie des Kirchenpatrons, von Heiligen umgeben: links Florian, Apollonia, Agatha, Katharina, St. Mang und Johannes Nepomuk der „Brückenheilige“ (siehe auch Figur am Seitenportal beim Eingang aus Sandstein gehauen von Nikolaus Weiß aus dem Jahre 1801); rechts Blasius, Anton v.P., Erasmus, Wendelin und Franz Xaver. Auch das Langhaus ist sehr gefällig gestaltet. Gemalte Pilater, deren verschieden ausgerichtetes Gebälk leichte Zentralisierung vortäuscht (Scheinmalerei). Auf kleinen Kartuschen werden die 7 geistigen Werke der Barmherzigkeit an den Tugenden St. Sebastians gezeigt. Das Deckenfresko schildert das Mahl, bei dem Sebastian, der Offizier der kaiserlichen Garde Diokletians war, den Göttern opfern soll, seine Gefangennahme und Verhör, Führung zum Tode; rechts fällt Sebastian von Pfeilen getroffen, zu Boden. Auf der Rokokokanzel, die von dem Wertacher Schreiner Johann Riefler stammt, die Hl.-Geist-Taube über der Weltkugel. Die beiden Bilder der Seitenaltäre zeigen Papst Sylvester und die hl. Katharina von Alexandrien, sign. 1826 und 1825 von L.C. Weiß, dem Sohn von F.A. Weiß. 1910 wurde die Kapelle von Balthasar Fischer aus Füssen restauriert. Die letzte Renovierung war von 1971 bis 1976. Restaurator war Josef Lorch aus Füssen. Der Altar und das Gestühl sind vom Bildhauer Otto Kobel. Das Kupferdach fertigte der Kurfürst von Kaufbeuren an. 1978 wurden vier wertvolle Figuren (Evangelisten) gestohlen. Durch einen glücklichen Zufall kam das Diebesgut wieder in den Besitz der Pfarrgemeinde. Heute zieren die Heiligen die neu erbaute Kirchenorgel in der Pfarrkirche St. Ulrich.

Quelle: Touristinformation Wertach

 

Pestkapelle / St. Sebastianskapelle
Altar - Pestkapelle / St. Sebastianskapelle